Eine Performance auf den Spuren der Künstlerin Charlotte Salomon
Vier Künstler*innen, die heute ungefähr im gleichen Alter sind wie vor 80 Jahren die jüdische Künstlerin Charlotte Salomon, setzten sich mit deren Erzählungen aus "Leben? Oder Theater?" auseinander.
"Etwas ganz Verrückt-Besonderes", schreibt Charlotte Salomon auf ein letztes, nur mit Text beschriebenes Blatt, in Ihrer Erzählung "Leben? Oder Theater?". Als die junge jüdische Künstlerin 1940 zu ihren Großeltern nach Südfrankreich flieht, ist sie gerade einmal 23 Jahre alt. In ihrer einzigartigen Erzählung "Leben? oder Theater?" die aus Bildern, Textfragmenten und Musik besteht, macht sie uns zu Zeug*innen der Geschichten ihrer Familie, ihrer Jugend in Berlin der 30er Jahre und der Zeit im Exil in Südfrankreich.
"Leben? Oder Theater?" ist eine Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen im expressionistischen Stil, bei der Wort und Bild, wie bei einem Comic oder Graphic Novel, gleichwertig nebeneinander stehen. Hier sehen wir die Welt durch die Augen der 23 Jährigen Charlotte. Durch den Abschied von ihren Eltern und Freunden in Berlin, die Selbsttötung der Großmutter und die Zeit im Lager "Gurs" in einer tiefen Nervenkrise, nimmt sie auf den Rat ihres Arztes hin die künstlerische Arbeit wieder auf und setzt sich mit den einschneidenden Erlebnissen in ihrem Leben auseinander. Im Oktober 1943 wird Charlotte Salomon, 26 Jahre alt, in Auschwitz ermordet.
In der Inszenierung "Fragen an Charlotte" setzen sich vier Künstler*innen, die heute ungefähr im gleichen Alter sind wie vor 80 Jahren Charlotte Salomon, mit den Erzählungen aus "Leben? Oder Theater?" auseinander. Dabei bedienen sie sich der künstlerisch reichhaltigen Sprache aus Bildern, Musik und Texten und stellen Fragen an Charlotte, die in einem Ausbruch kreativer Energie gegen Auswegslosigkeit und Verzweiflung kämpfte und zwischen 1940 und 1942 ihre Lebensgeschichte in über 1300 Gouachen malte.
"Es ist ein prallbuntes Spiel mit ganz unterschiedlichen Theatermitteln, Materialien, Räumen und Perspektiven. So werden Folien ihrer Gemälde mit Overheadprojektor übergroß auf Wände und Stellagen geworfen - und überraschend zum Leben erweckt: Die Schauspieler schlüpfen in die Bilder, lassen sie tanzen und doubeln deren Figuren. Dazwischen weben sich Originaltexte und Zeitungsmeldungen, es gibt übereinander projiziert und so atmosphärisch verdichtet Papier- und Objekttheater, Tanz, Schatten- und Schauspiel zu erleben. Wie kann Erinnerung sichtbar werden? - so eine der Fragen des Ensembles: Hier gelingt es!"
Badische Zeitung, 30.09.19, Marion Klötzer